Veredelung kann zweierlei Ursprung haben. Entweder strebt man nach
bestimmten Eigenschaften oder neue Mutationen entstehen spontan und
werden dann weiter gezüchtet. Dabei können sich alle Eigenschaften,
die genetisch bedingt sind, verändern. Viele dieser Veränderungen sind
beim Großhändler oder im Aquariengeschäft nicht sofort ersichtlich.
Bei der Pflege zu Hause bemerkt der Aquarianer unter Umständen, daß
die Fische sich nicht mehr so verhalten, wie es in älterer
Aquarienliteratur beschrieben wurde.
Früher wurde die Veredelung nur durch Auslese betrieben, dadurch, daß
nur die besten Tiere weiter gezüchtet wurden. Nach vielen Generationen
erhielt man Fische, deren Erscheinungsbild dem ästhetischen Empfinden
des Menschen entsprach.
Heutzutage veredelt man eher unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten.
Es werden Kreuzungen zwischen Geschwistern, Eltern und Jungen, Rassen,
geographischen Varietäten und Unterarten, ja sogar zwischen
verschiedenen Arten durchgeführt. Verschiedene Mutationen entstehen
mehr oder weniger spontan, werden ausgewählt und weiter gezüchtet.
Neben gewünschten entstehen hierbei auch unerwünschte Eigenschaften,
die zum Teil nicht direkt ersichtlich sind. Ein Beispiel für
unerwünschte Eigenschaften läßt sich bei vielen gewöhnlichen Cichliden
(z.B. Scalare), welche veredelt wurden, beobachten. Wenn die Tiere
abgelaicht haben, muß das Laichsubstrat aus dem Hälterungsbecken
entfernt werden, da die Elterntiere ihre Nachkommen sonst regelmäßig
auffressen. Auf diese Weise erhöht sich die Zahl der Cichlidenpaare,
deren Brutverhalten nicht mehr arttypisch ist. Nach mehreren
Zuchtgenerationen ist so das natürliche Familienleben der Cichliden
völlig zerstört.
Es kann vermutet werden, daß auch wirtschaftliche Aspekte bei dieser
Form der Veredelung eine Rolle spielen. Um mehr Geld zu verdienen,
wäre es z.B. denkbar, Diskusfische so zu veredeln, daß die Jungfische
auch ohne ihre Eltern aufgezogen werden können. So könnte man
Elternpaare häufiger zum Ablaichen bringen und noch mehr Jungtiere
erhalten, die gewinnbringend weiterveräußert werden könnten.
Somit entstehen neue Aquarienfische, gewöhnlichen Haustieren ähnlich.
In der Natur könnten sich solche Individuen, die ihre Nachkommenschaft
regelmäßig fressen oder sich nicht artgerecht verhalten, überhaupt
nicht weitervermehren. Die Verbreitung solcher Stämme wäre somit
verhindert.
Folgende frustrierende Erfahrung mußten schon viele Aquarianer machen:
man hat sich eine Gruppe junger, familienbildender Cichliden besorgt,
sie jahrelang gepflegt und abwechslungsreich gefüttert, schaut zu, wie
die Jungtiere aufwachsen, Paare bilden - dann ist es endlich soweit,
daß die Fische ablaichen ... und man muß zusehen, wie sie alles -
billigem Kaviar gleich - auffressen. Alle weiteren Versuche, Jungtiere
zu züchten, sind ebenfalls vergeblich, da die Brut jedes Mal
aufgefressen wird. Es bleibt nur die Möglichkeit übrig, alle Tiere zu
töten und aufs neue anzufangen. Warum? Jemand wollte Geld verdienen,
hat verhaltensgestörte Fische weiter gezüchtet, künstlich aufgezogen
und die Jungtiere schließlich verkauft.
Was kann der verantwortungsbewußte Aquarianer hiergegen unternehmen?
Leider nicht viel, aber ich hoffe, daß ehrliche Aquarianer allmählich
verstehen, wohin das kurzfristige Geldverdienen führt und daß die
Ethik siegt. Jedem sollte bewußt sein, daß auch Fische Streß und
Schmerz empfindende Lebewesen sind. Wenn ich solche stark veredelten
Tiere sehe, die in vielerlei Hinsicht genetisch verändert wurden, kann
ich nur Mitleid empfinden. Stark deformierte, verkrüppelte Tiere,
deren Beflossung viel zu groß ist, und die nur mit außerordentlich
großen Mühen überhaupt schwimmen können, stehen kontinuierlich unter
Streß und haben kaum Kräfte übrig, um gewöhnliche Wasserbakterien
abwehren zu können. Verstopfungen und Entzündungen sind sehr oft
Krankheitssymptome der veredelten, deformierten Fische.